Rezensionen

Initiation in die Philosophie Platons

Feedback einer Leserin im Dezember 2006

Meine »Geschichte« mit diesem Buch ähnelt einer zwischenmenschlichen Beziehung. Vor einigen Jahren fand ich mich – mehr intuitiv geführt als durch Fakten untermauert – von dem italienischen Weisheitslehrer Raphael angezogen. Das allererste Raphael-Buch, das mir damals zufällig »über den Weg lief«, war dieses Platon-Buch: Ich könnte den Moment noch heute »malen«: die Tageszeit, das Licht im Zimmer, WIE dieses Buch da auf dem Tisch lag, mein 1. Blick auf das Titelbild (das ich mittlerweile im Original in den vatikanischen Museen bewundert habe). Ich erinnere auch noch sehr genau die (schmerzhafte) Ent-Täuschung, als ich es damals aufschlug, um darin zu lesen: Nein, das war nicht, was ich erwartet hatte!

Gott sei dank war dadurch die Anziehung zu Raphael in keinster Weise gemindert. So fand ich schließlich (über seine Seminare und andere seiner Bücher, wie Jenseits der Illusion des Ich) auch zurück zu diesem Platon-Buch. Weil hier Platons Philosophie auch im Vergleich bzw. im Bezug zu Sankaras Texten darlegt wird, war für mich hilfreich, Schriften von Shankara zu kennen (z.B. das wunderbare, von Raphael kommentierte Vivekacudamani).

Zum Inhalt des Buches: »Auch wenn es viele ... geben mag, die Platon gelesen oder ... studiert haben, glauben wir, dass es nur wenige gibt, die gründlich und ohne literarische Vorurteile über die platonische Lehre MEDITIERT und die Essenz ... erfasst haben, die es zu verwirklichen gilt. ... Platon bedient sich der Philosophie als eines Mittels, uns aus der konfliktgeladenen und widersprüchlichen Welt des sinnlich Wahrnehmbaren in die Welt des Seins zu erheben, die unser ursprünglicher 'Wohnsitz' ist ... Alles, was wir tun müssen, ist, den Inhalt dieses Buches aufzunehmen und ihn reifen lassen ... So ist dieses Werk ein wirklicher Schatz, ein gebündeltes Licht, das unsere Seele leuchten lässt.« (aus Einleitung & Klappentext).

Staunend entdecke ich hier Advaita in Original (!)-Texten von Platon: »Es beruht ... diese Schwierigkeit hauptsächlich darauf, dass man des Einen gar nicht auf dem Wege des wissenschaftlichen Erkennens, des reinen Denkens ... inne werden kann, sondern nur vermöge einer Gegenwärtigkeit welche von höherer Art ist als Wissenschaft ... nur bis zum Wege, bis zum Aufbruch reicht die Belehrung, die Schau muss dann selbst vollbringen, wer etwas zu sehen gewillt ist« (S.33). »Da ... Philosophen diejenigen sind, die das immer sich völlig Gleichbleibende zu erfassen vermögen, ... die stets mit ganzem Herzen jene Lehre lieben, die ihnen etwas von jenem Sein offenbart, das immerdar IST und unberührt bleibt von jedem Wandeln durch Entstehen und Vergehen« (S. 70).

Zur 1. Hälfte des Buches (bis S. 82): Die profunden Kenntnisse des (selbstverwirklichten) Philosophen Raphael dürften vermutlich in erster Linie echte Philosophen und Platon-Interessierte zu würdigen wissen. Das Buch belegt einerseits faszinierend und überzeugend die Einheit westlicher und östlicher Überlieferung, ist aber andererseits für 'Nicht-Philosophen' schwer zu lesen und zu verinnerlichen.

Mir persönlich ist der zweite Teil des Buches (ab S. 83) deutlich leichter zugänglicher: »Nun wollen wir ... von der 'Rückkehr' ... sprechen, denn Platons Philosophie ist keine mentale ... Virtuosität, sondern eine Philosophie der Wiedererweckung zu dem, was wir in Wirklichkeit sind« (S.83). U.a. zitiert und kommentiert Raphael Platons berühmtes Höhlengleichnis (S.92 ff.). Das hat mich tagelang begleitet; dabei direkt als Bild (!) auf mich gewirkt. »Es ist die Synthese seiner gesamten Lehre« (S.92). Am meisten berührt haben mich persönlich S.110-124 über den 'Weg der Liebe'.

Mein Fazit: Für Philosophen, Platon-Interessierte und 'Freunde von Raphael' ein unbedingt lesenswertes Buch.